Starke Energieregion auch nach der Kohle

03. Dezember 2021
Das Mitteldeutsche Revier bleibt auch nach dem Kohleausstieg eine wirtschaftlich starke Energieregion. Voraussetzung dafür ist der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmesektor, so eine jetzt vorgelegte Strukturwandel-Studie im Auftrag der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland.

„Unser Energiekonzept zeigt, dass das Mitteldeutsche Revier sich auch nach dem Kohleausstieg als Energieregion und Nettostromexporteur behaupten kann. Dies gilt auch für das Szenario eines Endes der Braunkohleverstromung vor dem Jahr 2038“, erklärt Johannes Gansler, Handlungsfeldmanager Energie bei der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland. „Dazu müssen allerdings eine Reihe wichtiger Weichenstellungen vorgenommen werden, die in der Studie in Form von Handlungsempfehlungen aufgeführt werden, etwa die Beseitigung der Flächenrestriktionen beim Ausbau der Windenergie, die verstärkte Nutzung von Photovoltaikanlagen auf Agrarflächen und der Ausbau der Fernwärmeversorgung auf Basis Grüner Gase“, so Johannes Gansler weiter.

Die im Rahmen des Strukturwandelprojektes „Innovationsregion Mitteldeutschland“ von der Leipziger Institut für Energie GmbH, der r2b energy consulting GmbH und der Deutsche Biomasse Forschungszentrum GmbH durchgeführte Studie soll die Basis für ein energetisches Zukunftsbild der Region bilden. Dazu wurde eine Bestandsaufnahme der Energieerzeugungsanlagen im Mitteldeutschen Revier, deren Leistung sowie des derzeitigen Strom- und Wärmeverbrauchs nach relevanten Verbrauchergruppen vorgenommen. Auf Grundlage dieser Ist-Analyse wurden zwei Zukunftsszenarien bis zum Jahr 2040 erstellt sowie Potenziale und notwendige Maßnahmen für eine sichere und weitgehend emissionsfreie Strom- und Wärmeversorgung ermittelt.

 Fast dreiviertel der Energie stammt noch aus fossilen Großkraftwerken

Demnach waren im Jahr 2018 im Mitteldeutschen Revier insgesamt 26.507 Anlagen zur Energieerzeugung in Betrieb, davon entfielen 96 % (25.587) auf Anlagen auf Basis von erneuerbaren Energien. Die weitaus größte Anzahl umfasste dabei die Photovoltaik mit 24.073 Anlagen, gefolgt von der Windenergie mit 1.205 Anlagen. Darüber hinaus sind in der Region 26 Großkraftwerke sowie 889 Blockheizkraftwerke / KWK-Anlagen auf Basis von fossilen Energieträgern vorhanden. Ein anderes Bild zeigte sich bei den Anteilen an der Strom- und Wärmeerzeugung. Die mit den fossilen Energieträgern Braunkohle, Erdgas und Heizöl betriebenen Großkraftwerke wiesen einen Anteil von 72 % an der gesamten Stromerzeugung von 28.381 GWh Strom in der Region auf, während die erneuerbaren Energien mit 6.990 GWh einem Anteil von 24 % zur Stromerzeugung beitrugen. Auch bei der Wärmeenergie, von der 2018 insgesamt 11.188 GWh erzeugt wurden, stammte mit 73 Prozent der weitaus größte Anteil aus Großkraftwerken auf fossiler Basis. Der Anteil der erneuerbaren Energien (Biomasse sowie Klär- und Deponiegas) betrug mit 1.344 GWh lediglich 12 %; weitere 7 % entfielen auf Müllverbrennungsanlagen und 8 % auf Blockheizkraftwerke.

Zukunft ohne Kohle: Zwei Szenarien für die mitteldeutsche Energieregion

Für die zukünftige Entwicklung der Energieregion bis zum Jahr 2040 entwirft die Studie zwei unterschiedliche Szenarien. Das „realistisch-ambitionierte“ Referenzszenario geht von einem Erfüllen der aktuell geltenden Klimaziele und einem Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 aus. In diesem Szenario steigt der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung im Mitteldeutschen Revier von 25 % im Jahr 2020 auf 75 % im Jahr 2040 an.

Das alternative „Green-Deal“-Szenario geht dagegen von einer weiteren Anhebung der klima- und energiepolitischen Ziele auf europäischer und nationaler Ebene und einem dadurch bedingten Kohleausstieg bereits Anfang der 2030er Jahre aus. Demnach würde der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 25 % im Jahr 2020 auf 86 % im Jahr 2040 steigen. Auch bei der Wärmeversorgung kommt keine Braunkohle mehr zum Einsatz. Stattdessen steigt der Anteil erneuerbarer Energien von 16 % im Jahr 2020 auf ca. 60 % im Jahr 2040. In KWK-Anlagen auf Erdgasbasis kommen mindestens 25 % Grüner Wasserstoff zum Einsatz.

In beiden Fällen geht die Studie von einem zurückgehenden Energiebedarf im Mitteldeutschen Revier bis zum Jahr 2040 aus. Während er im Referenzszenario gegenüber dem Jahr 2018 um 10 % auf 42.332 GWh sinkt, beträgt der Rückgang im Green-Deal-Szenario sogar 17 % auf 38.889 GWh.  Ursachen hierfür sind die negative Entwicklung der Gesamtbevölkerung und der Beschäftigten, der Rückgang von Wohnflächen sowie Einsparungen durch die energetische Gebäudesanierung und den Austausch alter Heizsysteme. Diese sorgen trotz steigenden Strombedarfs im industriellen Bereich für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff, neue Technologien der Sektorenkopplung für einen insgesamt sinkenden Energieverbrauch.  

Handlungsempfehlungen für grüne Energieversorgung im Jahr 2040

In beiden Szenarien kann das Mitteldeutsche Revier seinen aktuellen Status als Nettostromexporteur auch nach dem Kohleaussteig behaupten und damit einhergehende Wertschöpfung in der Region gehalten werden. Auch für den Wärmebereich sieht die Untersuchung das Potenzial einer gesicherten Energieversorgung ohne Braunkohle. Voraussetzung dafür ist der ambitionierte Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region. Dazu geben die Autoren der Studie eine Reihe an Handlungsempfehlungen für die Politik auf Bundes- und Landesebene (Auswahl):

  • Änderung der vorhandenen Flächenrestriktionen für Windkraftanlagen
  • Flexible Einbindung der H2-Elektrolyse / Power-to-Gas in den Strommarkt
  • Erhöhung der jährlichen Ausschreibungsvolumina für PV-Anlagen
  • Nutzung von Tagebaurestseen für Floating-PV
  • Explizite Privilegierung von Agri-PV-Anlagen
  • Ausbau der energetischen Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe wie Gülle, Festmist, Stroh und sonstiger Ernterückstände in Biomasseanlagen
  • Förderung erneuerbarer Gase (Biomethan, EE-Wasserstoff, Bio-SNG)
  • Flexibilisierung der Kraft-Wärme-Kopplung mittels Power-to-Heat und Wärmespeichern
  • Nutzung von Großwärmepumpen in der Fernwärme (z.B. Seethermie)

 

Über das Strukturwandel-Projekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“

Im Projekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“ entwickelt die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland mit den Landkreisen Altenburger Land, Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis, Leipzig, Mansfeld-Südharz, Nordsachsen und Saalekreis sowie den Städten Halle (Saale) und Leipzig neue Strategien und Projekte für den Strukturwandel in der Region. Das Vorhaben wird im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) durch den Bund, den Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und den Freistaat Thüringen gefördert.

Über die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland

In der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland (EMMD) engagieren sich strukturbestimmende Unternehmen, Städte und Landkreise, Kammern und Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Pressekontakt:
Kai Bieler
Pressesprecher Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH
Tel.: 0341 / 6 00 16- 19
E-Mail: bieler@mitteldeutschland.com
Web: www.mitteldeutschland.com

Weitere Informationen  

Langfassung der Studie (PDF)

Kurzfassung der Studie (PDF)

Projektwebseite „Innovationsregion Mitteldeutschland“