Studie skizziert neue Entwicklungspfade für mitteldeutsche Braunkohlewirtschaft

18. November 2021
Die Braunkohlewirtschaft im Mitteldeutschen Revier muss sich schon heute auf den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorbereiten, so eine aktuelle Studie im Auftrag der Metropolregion Mitteldeutschland. Die vom Kohleausstieg betroffenen Industriearbeitsplätze könnten vor allem durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder in den Technologieschwerpunkten Erneuerbare Energien, Wasserstoff, Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft gesichert werden.

„Die Studie zeigt, dass nur ein geringer Teil der Wertschöpfung und Beschäftigung im Mitteldeutschen Revier auf die Braunkohlewirtschaft zurückzuführen ist. Hier ist die regionale Wirtschaft aufgrund ihrer größeren Diversität bereits heute zukunftssicherer aufgestellt als beispielweise in der Lausitz. Trotzdem hätte der Wegfall der gut bezahlten Industriearbeitsplätze Im Zentrum der Kohlegewinnung und Kohlenutzung deutliche negative Effekte auf den Arbeitsmarkt und die kommunale Daseinsvorsorge“, erklärt Werner Bohnenschäfer, Leiter des Strukturwandelprojektes „Innovationsregion Mitteldeutschland“ bei der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland. „Deshalb muss es das Ziel sein, alternative Wertschöpfungspfade für die Braunkohlewirtschaft zu entwickeln und damit die Wertschöpfung in der Region zu erhalten. Für diese Transformation skizziert die Studie mögliche Entwicklungspfade, die sich an den vorhandenen Technologieschwerpunkten in der Region orientieren“, so Werner Bohnenschäfer weiter.

Knapp 6.000 Menschen im Mitteldeutschen Revier arbeiten im „Braunkohlekomplex“

Um die aktuelle Beschäftigungswirkung der Braunkohlewirtschaft im Mitteldeutschen Revier zu analysieren, wird in der vom Berliner Institut für Innovation und Technik durchgeführten Potenzial- und Risikoanalyse ein „Braunkohlekomplex“ definiert. Zu diesem gehören Unternehmen der Braunkohleförderung sowie deren Mehrheitsbeteiligungen, Braunkohlekraftwerke, andere Unternehmen mit einer Eigenstrom- und Wärmeversorgung durch Braunkohlekraftwerke sowie sonstige Unternehmen mit einem auf Braunkohle basierenden Kerngeschäft etwa in den Bereichen REA-Gips und Montanwachs. Diese Unternehmen vereinen rund fünf Prozent des regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Mitteldeutschen Revier auf sich. Gelichzeitig sind sie für fast 6.000 direkte Arbeitsplätze und zwischen etwa 8.000 und 12.000 indirekt und induziert Beschäftigte verantwortlich.

Dabei fällt der jeweilige Anteil am Arbeitsmarkt in den einzelnen Teilregionen sehr unterschiedlich aus. Während der Burgenlandkreis mit 3.670 direkt Beschäftigten im Braunkohlekomplex über den höchsten Anteil (6,3 Prozent) an den Gesamtbeschäftigten verfügt, sind in den anderen Landkreisen mit 400 bis 700 Arbeitsplätzen nur relativ geringe Anteile an der Gesamtzahl der Beschäftigten zu verzeichnen. Zu den direkten Arbeitsplätzen im Braunkohlekomplex kommen weitere, indirekte Beschäftigungseffekte bei Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen. So hängen laut der Studie von den Kraftwerken in Lippendorf (250 Beschäftigte) und Schkopau (150 Beschäftigte) weitere 625 bzw. 375 Arbeitsplätze in der Region indirekt ab. Das Knauf-Gipswerk in Rottleberode mit 250 Beschäftigten induziert weitere 925 Arbeitsplätze im Landkreis Mansfeld-Südharz. Den höchsten Beschäftigungsmultiplikator erreicht das Südzucker-Werk in Zeitz mit 200 Beschäftigten, von dem weitere 1.440 Arbeitsplätze – vorwiegend in der landwirtschaftlichen Zuckerrübenproduktion – abhängen.

Erneuerbare Energie, Bioökonomie und Wasserstoff als Zukunft der Braunkohlewirtschaft

Für die zukünftige Sicherung von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in der Region werden in der Studie zwei – parallele – Entwicklungspfade genannt. Der erste Pfad setzt vor allem auf den Erhalt von Beschäftigung durch frühzeitige Weiterqualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte im Braunkohlesektor, die einen Übergang in andere Branchen wie die chemische Industrie ermöglichen.

Der zweite Pfad setzt auf den Umbau der Unternehmen des Braunkohlekomplexes und die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Erfolgsversprechende Anknüpfungspunkte dafür sehen die Autoren der Studie vor allem in den regionalen Technologieschwerpunkten Erneuerbare Energien, Wasserstoffwirtschaft, Bioökonomie sowie Kreislaufwirtschaft und Recycling. Als mögliche Impulse für die zukünftige Geschäftsentwicklung heutiger Braunkohleunternehmen werden dabei genannt:

  • Herstellung von Rohstoffen für die Bioökonomie
  • Erzeugung und Speicherung Grüner Energie im Tagebau
  • Klimaneutrale Bereitstellung von Prozesswärme
  • Weiterbildungs-Accelerator/Coding-School Mitteldeutschland
  • Ausbau der Seethermie
  • Mega-Engineering zur Anpassung an Klimafolgen
  • Industrielle Dienstleister/Kreislaufwirtschaft für „grüne“ Technologien

 

Zentrale Innovations-Plattform für das Mitteldeutschen Revier

Als weitere Maßnahme schlägt die Studie die Etablierung einer „Innovations-Plattform Mitteldeutsches Revier“ vor, um den innovations- und wettbewerbsorientierten Wissenstransfer zwischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstituten über Branchengrenzen hinweg zu fördern. Die Innovations-Plattform soll den Aufbau eines länderübergreifenden Innovationssystems im Mitteldeutschen Revier koordinieren sowie das Monitoring technologischer und förderpolitischer Entwicklungen übernehmen.  Dazu gehört auch der sich verändernde Fachkräftebedarf durch die Transformation der bisherigen Braunkohleunternehmen. Dem müsse frühzeitig und koordiniert mit gezielten Veränderungen im regionalen Ausbildungs- und Weiterbildungssystem begegnet werden, um sich abzeichnende Engpässe bei den Fachkräften zu vermeiden.

Über das Strukturwandel-Projekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“

Im Projekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“ entwickelt die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland mit den Landkreisen Altenburger Land, Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis, Leipzig, Mansfeld-Südharz, Nordsachsen und Saalekreis sowie den Städten Halle (Saale) und Leipzig neue Strategien und Projekte für den Strukturwandel in der Region. Das Vorhaben wird im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) durch den Bund, den Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und den Freistaat Thüringen gefördert.

Über die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland

In der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland (EMMD) engagieren sich strukturbestimmende Unternehmen, Städte und Landkreise, Kammern und Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Pressekontakt:
Kai Bieler
Pressesprecher Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH
Tel.: 0341 / 6 00 16- 19
E-Mail: bieler@mitteldeutschland.com

Weitere Informationen  

Langfassung der Studie (PDF)

Kurzfassung der Studie (PDF)

Projektwebseite „Innovationsregion Mitteldeutschland“