Ein klassisches Startup ist die Leipziger Zellkraftwerk GmbH längst nicht mehr. Das 2014 gegründete Biotechnologieunternehmen ist bereits seit Jahren mit seiner Technologieplattform „ChipCytometry“ zur automatisierten Gewebe- und Zellanalytik international erfolgreich. So arbeiten aktuell 8 der 10 weltweit führenden Pharmaunternehmen und internationale Forschergruppen mit der Innovation. Doch trotz des Erfolgs traf auf Ivonne Wolff und ihre Kollegen und Kolleginnen bislang das Sprichwort vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt, durchaus zu. „Wir sind bei Kunden in aller Welt als innovativer Dienstleister etabliert, aber zu Hause in Deutschland und Sachsen kannte uns und unsere Technologie bislang kaum jemand“, gibt die Leiterin Geschäftsentwicklung der Zellkraftwerk GmbH zu.
Foto: Ivonne Wolff, Leiterin Geschäftsentwicklung der Zellkraftwerk GmbH
Mit der Teilnahme am 15. IQ Innovationspreis Mitteldeutschland und dem Gewinn des Clusterpreises Life Sciences hat sich das grundlegend geändert. „Es gab im Anschluss an die Preisverleihung sehr viele Glückwünsche und eine starke Wahrnehmung auf nationaler und regionaler Ebene, bei öffentlichen Einrichtungen, Behörden und in der Wissenschaftslandschaft. Dank des Erfolgs beim IQ haben wir jetzt einen Namen in der Region. Das erleichtert die Kommunikation mit potenziellen Kooperationspartnern und Kunden sehr“, freut sich Ivonne Wolff.
Auch auf anderer Ebene hat das Zellkraftwerk-Team, dass erstmals an einem Innovationswettbewerb in Deutschland teilnahm, vom IQ profitiert. „Die Bewerbung und die verschiedenen Jurystufen verlangen einiges an Arbeit ab. Aber im Gegenzug haben wir dadurch auch viel gelernt. Der Bewerbungsprozess gibt dem eigenen Wissen nochmal eine neue Struktur und setzt neue Impulse bei der Entwicklung und Vermarktung der Innovation. Besonders das spürbare Engagement der Juroren, die persönlichen Gespräche, die fundierte Kritik und die wertvollen Anregungen haben uns weitergeholfen“, so die positive Bilanz der Unternehmerin.
Die Anfänge der Technologieplattform „ChipCytometry“ liegen bereits gut zehn Jahre zurück. In seiner Tätigkeit als Kinderarzt im Fachbereich angeborene Immuneffekte war der spätere Zellkraftwerk-Mitgründer Dr. Christian Hennig mit der Tatsache konfrontiert, dass sich wertvolle Zellproben mit dem bisherigen Standardverfahren nur einmalig untersuchen lassen. Deshalb suchte er nach einem Weg, die Proben mehrfach auf wichtige Biomarker untersuchen und stabil lagern zu können. Im Ergebnis entwickelte er die Grundlagen für die Chipcytometrie und gründete zusammen mit Dr. Jan Detmers die Zellkraftwerk GmbH.
Heute vertreibt das Unternehmen die weltweit einzigartige Hard- und Software-Technologieplattform „ChipCytometry“ zur hochparametrischen Gewebe- und Zellanalytik. Möglich macht dies ein neuartiger mikrofluidischer „ZellSafe“-Chip, in dem die Zellprobe bis zu 24 Monate stabil fixiert und gelagert wird. Die für den Biomarkernachweis verwendeten Fluoureszenzfarbstoffe lassen sich „ausbleichen“, wodurch die gleiche Probe unendlich oft auf über 110 Biomarker untersucht werden kann. Neben klassischen Probentypen ermöglicht die Innovation auch die Analyse von Gewebe, roten Blutkörperchen und seltenen Zellen in bislang unerreichter Quantität und Qualität der Daten. Durch ortsaufgelöste Zeitrafferaufnahmen lassen sich sogar lebende Zellen in ihrem funktionellen Kontext messen, ein Meilenstein für die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien. Zellkraftwerk bietet komplette Workflows für die Cytometrie von Zellen und Geweben an – von den Produkten und Reagenzien, über die passende Software für die Datenauswertung bis hin zu individuellen Kundenschulungen.
Ein Ausruhen auf dem bisher Erreichten kommt dabei für das 16 Mitarbeiter umfassende Team von Zellkraftwerk nicht infrage. „Wir sind ständig bestrebt, unsere Innovation weiter zu entwickeln. So führen wir aktuell ein großes Forschungsprojekt mit der Universität Leipzig im Bereich des „live cell imaging“ zur Beobachtung lebender Zellen durch. Perspektivisch möchten wir eine Diagnostikplattform für die personalisierte Therapie etablieren. Diese kann zukünftig als zentraler Baustein für Therapieentscheidungen und die Therapiesteuerung genutzt werden“, erläutert Ivonne Wolff. Neben dem Verkauf der entsprechenden Geräte soll in den kommenden Jahren auch das Dienstleistungsangebot im eigenen CRO-Labor zur Unterstützung klinischer Studien weiter ausgebaut und so die weltweite Marktposition gestärkt werden.
Um für den geplanten Wachstumsprozess gerüstet zu sein, kündigte Zellkraftwerk im Mai dieses Jahres an, mit dem US-amerikanischen Biotechunternehmen Canopy Biosciences zu einem gemeinsamen „Multi-Omics“-Unternehmen zu fusionieren. „Wir freuen uns sehr, mit Canopy Biosciences zusammenzuarbeiten, um weiter zu wachsen und unsere Fähigkeiten und geografische Reichweite in die USA sowie innerhalb Europas und Asiens auszuweiten”, so Zellkraftwerk-Gründer Jan Detmers. Dank der sich sehr gut ergänzenden Portfolios könnten beide Partner ihren Kunden zukünftig mehr Produkte und Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. „Die Gründer von Zellkraftwerk, Jan Detmers und Christian Hennig, haben ein Angebot mit klaren Alleinstellungsmerkmalen im Segment der Zell- und Gewebeanalysen geschaffen. Wir freuen uns sehr, ihre besondere Kompetenz und Technologieplattform in Canopy Biosciences zu integrieren”, so Edward Weinstein, Mitgründer und Geschäftsführer von Canopy Biosciences. Die Chancen stehen also gut, dass der Name Zellkraftwerk durch die Partnerschaft zukünftig noch bekannter werden wird.
IQ Innovationspreis Mitteldeutschland 2019, Clustersieger Life Sciences: Zellkraftwerk GmbH aus Leipzig mit den Preisstiftern KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Serumwerk Bernburg AG; (v.l.) Dr. Jan Lukowczyk (Serumwerk Bernburg AG), Ivonne Wolff, Dr. Nancy Stanslowsky, Susanne Finger, Franziska Aurich (alle Zellkraftwerk GmbH), Antje Strom (KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) (Bildnachweis: Guido Werner/GWP)